Das Leben in Istanbul nahm seinen Lauf.
Das Wetter war noch sonnig und warm. Dies war verführerisch. Mit der Zeit entwickelte das Leben in Istanbul eine Art Sog, der einen sich fragen ließ, wo die ganze Zeit geblieben war. Die Tage kamen und gingen. Da war es gut sich eine Art To-Do Liste zu erstellen. Auf ihr standen Dinge wie Besichtigungen der verbleibenden Sehenswürdigkeiten, die Arbeitssuche und ein Wochenendausflug nach Ankara, der Hauptstadt.

Lea vor dem Istanbul Museum of Modern Art. Zur der Zeit gab es dort eine Biennale. Es gab viel Abstraktes zu sehen, zu dem mir größtenteils schlichtweg der Zugang fehlte. Lea dahingegen hatte großen Spaß.

Dies is Behzad, ein Iraner der den Militärdienst verweigert hat. Er kann deshalb nicht in sein Land zurück, und wartet z.Z. auf eine Greencard der USA. Da es ihm nicht erlaubt ist zu arbeiten, sitzt er die meiste Zeit zuhause rum und spielt Computerspiele. Lea und ich dachten uns, dass es ihm mal gut täte einen Ausflug zu machen. Zum Beispiel nach Ankara.
Behzad, Lea und ich unternahmen ein Wochenendausflug nach Ankara, Hauptstadt der Türkei. Die Stadt ist groß (4,5 Mio Einwohner), der Vergleich zu Istanbul jedoch zwecklos. Sie ist eine Verwaltungsstadt / Häuserwüste und hat bei Weitem nicht so viel zu bieten wie die ‘eigentliche Hauptstadt’. Atatürk hat sie damals nur aus strategischen Gründen als Hauptstadt auserkoren.

Straßenbeleuchtung in Ankara. Die Stadt tut ihr Bestes modern zu sein. Dies gibt ihr jedoch ein staubiges und zugleich steriles Flair.
Die Stadt hat aber auch ihre schönen Seiten. Hier ein paar Beispiele:

Ilker und Duygu, unsere CS-Hosts in Ankara, bei der Besichtigung des Schlosses. Auch wenn es bereits November war, die Sonne war noch stets sehr kräftig. Nachts kühlt es hingegen empfindlich ab.

Zum Mittagessen gingen wir zur Feier des Tages in ein tolles Restaurant über den Dächern der Stadt. Die Aussicht in der Abendsonne war fantastisch.
Die Distanzen in der Türkei sind wesentlich größer als die in Deutschland. Dies liegt nicht nur an der Größe des Landes, sondern auch daran, dass die Topologie wesentlich bergiger ist als bei uns. Für die Strecke Istanbul – Ankara (450 km Luftlinie) braucht der Zug ganze 8 Stunden. Deshalb hat es sich etabliert für längere Strecken eine Nachtverbindung zu nehmen. Die Züge sind dem gemäß geräumig und bequem.
Man reist im Vergleich ebenfalls sehr günstig. Das Ticket für Hin- und Rückfahrt hat knapp 50 € gekostet.

Zurück in Istanbul. Dies ist William. Er ist ebenfalls aus Bukarest hergeradelt. Wir beide verstanden uns blendend und sollten noch die nächsten Wochen zusammen in Istanbul surfen.

Die erste Woche lebten wir in Fatih. Es ist ein konservatives Viertel nördlich von Sultanahmet. Keine zwanzig Minuten zu Fuß von der Hagia Sophia und trotzdem praktisch frei von Touristen. Zwei mal die Woche gibt es dort einen großen Markt, wo es günstig Lebensmittel zu kaufen gibt.

Und dies sind unsere Hosts in Fatih. Sie sind Journalisten bei dem konservativen Blatt 'Zaman' (Die Zeit). Dieses Foto entstand bei einem unserer vielen Tee-Sessions, die oft bis spät in die Nacht andauerten.

Unsere Tee-Sessions waren Treffpunkte neugieriger Vertreter zweier Weltvorstellungen: Williams und meine westliche, individualistische und die ihrige spirituelle, gemeinschaftliche. Der Austausch war rege und basierte stets auf gegenseitigem Respekt.

Katzen gehören zu Istanbul wie die Tauben zu Venedig. Sie streunen durch Straßen und Parks, werden regelmäßig hochgenommen und gestreichelt. Viele alte Menschen füttern sie täglich.

Ein Süt-Misir Stand bei Nacht. Süt Misir (gedünsteter Butter-Mais) ist ein Renner in der Türkei. Ein leckerer Sattmacher mit ordentlich Glutamat für den Weg vom Busstopp zur Arbeit oder einfach zwischendurch.
So verlief sich die Zeit in Istanbul. Die Arbeitssuche verlief schleppend. So langsam wurde mir aus den ablehnenden Bescheiden der Firmen klar, dass sie für mich einfach keine Arbeit haben. Andererseits wollte ich mich nach ein paar Wochen auch garnicht mehr wirklich niederlassen.
Es wurde also Zeit sich darüber im Klaren zu werden, was als nächstes zu geschehen hatte. Dazu musste aus dem bequemen Alltag des Couchsurfing ausgebrochen werden. Aber wie? Davon mehr im nächsten Post.
Bis dahin wünsche ich allen schöne Feiertage (wer es feiert) und alles Gute!
Euer Johannes Bondzio